Die Geschichte der Jenischen

Die Jenischen sind ein autochthones europäisches Volk:

Es gibt Spuren, die auf die Anwesenheit von jenischen Gruppen bereits im 11. Jahrhundert hinweisen. In der deutschsprachigen Schweiz wird der Begriff "Fahrendes Volk" seit dem Mittelalter in der Verwaltungssprache und von den Betroffenen selbst verwendet.


Aus den Jahren 1037 und 1574 belegen offizielle weltliche und kirchliche Dekrete, dass es Reisende, Bettler und freie wandernde Leute gab, die in jenem Zeitalter in den von den Römern und der Römisch-Katholischen Kirche hinterlassenen Dokumenten als "Yienische" und "Freileute" bezeichnet wurden, aus der Gegend um das heutige Freiburg im Breisgau, aus der Region Haslacher Feld, aus Haslach-Hohenhaslach, wo Jenische eine Pferdewechselstation erhielten, um eine Herde von Ersatzpferden zu retten, die den Römern gehörten. Die Pferdewechselstation war ein Ort an dem man frische Pferde für die Reiter bereit hielt, um die maximale Geschwindigkeit der Postboten zu gewährleisten.

Dokumente in Freiburg im Breisgau, beim Diözesan Registeramt, bescheinigen, dass man überrascht war, dass es gelungen war, diese Jenischen mit der Übergabe dieser Pferdewechselstation sesshaft zu machen.


Darüber hinaus beziehen sich verschiedene Schriften aus den Archiven der Kirche (z. B. das Archiv des Bistums Würzburg) auf die Existenz der weißen Zigeuner im Jahre 1247, die sich "Yienische" nannten.  (réf. http://jenische.info/homesite/cms/public/index.php?cmd=smarty&id=8_lde).


Die "Innsbrucker Urkunden" von 1574 berichten, dass eine Gruppe von Wanderhändler und Hausierern, sich einen gemeinsamen Namen gab: "Meysskopp" oder "Meysskopf" und ihre Sprache das Rothwelsch nannten... Es steht geschrieben: "Und wenn sie und ihre Gesellschaft, einer oder mehr, zusammenkommen, und doch einander nicht recht erkennen, so fragt einer den anderen, Bist du ein Meysskopp, wenn der andere das bejaht so wissen sie wohl dass sie in der selben Gesellschaft sind und reden als dann miteinander Rothwelsch, denn alle aus ihrer Gesellschaft sind es gewöhnt und kennen die Sprache Rothwelsch."

Es ist offensichtlich, dass die Meysskopf, wie in diesen Dokumenten beschrieben, Jenische waren.


Die Jenischen und die Juden:

Basierend auf das Hebräische in der jenischen Sprache und auf die Existenz nicht zu leugnender signifikanter Ähnlichkeiten in den Familiennamen der beiden Gemeinschaften, hatten manche jenische Familien Kontakte zu Gruppen jüdischer oder jüdisch-christlicher Wanderhändler. Es ist wahrscheinlich, dass interkulturelle Ehen jüdische Namen in die jenische Gemeinschaft eingebracht haben. Aber wir können immer noch sehen, dass es in der Gemeinschaft der Jenischen keine Familie jüdischen Glaubens gibt, keine jenische Familie hat die jüdischen Traditionen weiter geführt.


Die jenische Sprache:

Die jenische Sprache hat sich, wie jede Sprache, im Laufe der Jahrhunderte entwickelt, aber ihre Struktur ist die gleiche geblieben, das zeigen Dokumenter aus dem Jahre 1250, die von der Existenz der Jenischen zeugen, das "Passional", beschreibt das "Rotwelsch" und ihre Sprecher, die Fahrenden. Aus dem hohen Mittelalter, das bedeutet bereits seit dem 13. Jahrhundert findet man immer mehr geschriebene Spuren über die Fahrenden, Spielleute, Gaukler, Handwerker und Bettler, die häufig in den Quellen als "Freyleut", freie Leute beschrieben werden, damit meinte man, daß sie sich von der Bevölkerung abhoben indem sie eine Art Nomadenleben, als Handwerker, fahrende Händler, wandernde Schauspieler führten, um ihre typischen Berufe auszuüben. Die Dokumente beschreiben sie oft als gesetzlos, unehrlich und illegal innerhalb der sesshaften Gesellschaft, ebenso wie dass ihre Dienste geschätzt wurden.

Bruderschaften von Reisenden entstehen, diese Bruderschaften sind eine Alternative zu Gilden von Handwerkern und Händlern. Die Bruderschaften bildeten oft das, was sie "Königreiche" nannten, im Laufe der Zeit erhielten sie sogar bestimmte Privilegien in Form von Schutzbriefen oder wurden unter das Protektorat eines Herrschers gestellt. Da viele Reisende geschützt waren, wurden sie in Städten oder Dörfern sesshaft oder halbsesshaft. (réf. http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13488).


- Ein anderes Dokument aus dem Jahre 1450, es handelt sich um eine Liste von Wörtern aus der jenischen Sprache, dieses Dokument nennt man die "Baseler Betrügnisse der Gyler". In diesem Dokument geht es in erster Linie darum, das Milieu des Fahrenden Volks und der Geächteten zu beschreiben. In diesem Papier findet man eine Liste von Wörtern aus der Sprache des "Rothwelsches", die der Sprache des Jenischen, wie sie heute gesprochen wird, sehr ähnlich sind. Man kann daher eine Kontinuität der jenischen Linguistik-Kultur von 1450 bis in unsere Zeit sehen und verstehen, dass die jenische Sprache bereits zu Beginn des Mittelalters gesprochen wurde. Es ist interessant festzustellen, dass die Sprache der Jenischen damals als "Rothwelsch" bezeichnet wurde.

Die Liste der Wörter aus den "Baseler Betrügnissen der Gyler", geschrieben im Jahre 1450 beweist eindeutig, dass der Begriff "Rothwelsch" die Jenischen beschrieb oder zumindest dass das "Rothwelsch" die alte jenische Sprache des 15. Jahrhundert war.


Anzumerken ist, dass es eine Schrift gibt, die aus dem Jahre 1510 stammt, den "Liber Vagatorum", der eine Liste von Worten mit "Rothwelsch", enthält, diese Liste ist größer als die vorherigen. Diese Wortliste entspricht der jenischen Sprache.

Vor dem 16. Jahrhundert verwendete man den Begriff "Rotwelsch" nur um die Sprache der Jenischen zu bezeichnen.

Das "Rothwelsch" hat sich im Laufe der Jahre entwickelt und ist mit der Zeit zum Oberbegriff für alle Geheimsprachen und Slangs von Deutschland und Umgebung, einschließlich des Jenischen geworden.


In den Wirren des dreissigjährigen Krieges (1618-1648), beschreiben die schriftlichen Spuren von "Rothwelsch" die jenische Sprache nicht mehr, sie fassen damit nun alle Dialekte und Geheimsprachen zusammen, was zu viel Verwirrung unter den Linguisten beiträgt.


Während dieses Krieges haben viele verarmte Bauern alles verloren und wurden Teil der Gemeinschaft des Reisenden Volks. Oft wurden ihre Nachkommen Jenische durch Heirat. Diese drei Quellen, aus 1250, 1450 und 1510 beweisen, dass die jenische Sprache seit Hunderten von Jahren gesprochen wird.(réf. https://de.wikipedia.org/wiki/Liber_vagatorum).


Dokumente aus dem 19. Jahrhundert berichten von der Existenz betrügerischer Gastwirte in Wien, die die Sprache der Jenischen im Jahre 1714 sprachen. Es ist nicht klar, ob sie sesshaft oder unterwegs waren. Die Dokumente beschreiben, dass die Sprache als Mittel von Tätern verwendet wurde, um gegen das Gesetz zu verstoßen.

Eine "Liste von Dieben" aus 1716 berichtet, dass im Schwäbischen Räuber und Taschendiebe eine große Anzahl von Wörtern aus dem Rothwelsch / Jenischen verwendeten. Man muss beachten, dass die Jenischen, die ehrliche Berufe ausübten, nicht viele geschriebene Spuren hinterlassen haben, die Menschen dieser Epochen waren eher geneigt, die negativen Aspekte zu verzeichnen, als die positiven Aspekte des Volks der Jenischen, deren Dienstleistungen und angebotenen Artikel von vielen Gadsche sehr geschätzt wurden.


Gegen Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichten die Behörden Glossare und Wörterbücher in der jenischen Sprache. Um das Geheimnis der Sprache zu entdecken. Die Jenischen sind seit jeher gewohnt, ein Wort zu ändern, wenn es veröffentlicht wurde. Auf diese Weise schützen sie ihre Geheimsprache, die Teil ihrer Identität ist, und es ihnen ermöglicht, sich gegen die verschiedenen Formen der Verfolgung zu schützen, mit denen sie als nomadisches Volk konfrontiert sind. Noch heute ist die Offenlegung der Sprache in der Gemeinschaft sehr verpönt.

Deshalb erschien das Wort "Jenisch", das bereits seit Jahrhunderten von den Jenischen verwendet wird, so spät in den Dokumenten.

"Lasst uns glücklich leben, lasst uns im Verborgenen leben" war das Motto des jenischen Volkes, das sich ständig schützen musste, um zu überleben.


Die Jenischen, ein Volk der Künstler:

Man stellt auch fest, dass die Jenischen oft Schauspieler, Schausteller und Akrobaten, Spielleute, Gaukler und Akrobaten waren.

Es ist besonders interessant, dass die fahrenden Sänger Mitteleuropas "Schaller" genannt wurden, dieses Wort stammt aus das Wort  "Skalden".


Bei den Germanen bearbeiteten die ambulanten heiligen Sänger auch Metall, sie hatten großes Wissen über Astrologie, Mythologie, Botanik und Sprache. Dieses Fahrende Volk nannte sich die "Skalden". Diese wandernde Kaste hatte eine eigene benutzerdefinierte Kultur, eine eigene poetische Sprache umfasste, das "Kenning", deren Struktur der des Jenischen ähnelt. (réf. https://fr.wikipedia.org/wiki/Scalde).


In der ambulanten Tradition der Komödianten, Gaukler, Puppenspieler und Musiker war eine mythische und legendäre Figur schon immer wichtig, sie ist sehr häufig in den Stücken und Liedern zu finden. Dieser mythische Charakter ist immer ein Spiegel der Gesellschaft und erscheint in verschiedenen Formen, wie zum Beispiel als Harlekin, Pulcinella, Hofnarr, Clown, als Kasperle oder Punch...

Eine Quelle aus dem Jahre 1090, geschrieben von einem normannischen Priester namens Ordericus Vitalis, überliefert eine Erfahrung, die ihm als Kolumnisten passiert ist. Er traf eine Horde von wilden Menschen, die eine wilde Jagd mit Masken feierten, er nannte sie  "Familia Herlechini". Die wilde Jagd liegt in der Nähe der Bräuche der Krampus und Perchta, die heute noch existiert, obwohl sie einen mehr volkstümlichen als geistlichen Sinn hatte. Die wilde Jagd von Odin über den Himmel ist ein altes geheimnisvolles Spiel. Die Chronik des 11. Jahrhunderts beschreibt sehr wahrscheinlich einen Clan wandernder Akteure, die ein geheimnisvolle Spiel spielten.

Unter Berücksichtigung all dieser Details, in diesem Zusammenhang gesehen, lässt sich feststellen, dass es Hinweise darauf gibt, dass die Jenischen bereits im 11. Jahrhundert existierten. Vielleicht waren die Mitglieder der "Familia Herlechini" jenische Komiker.  In einer bestimmten Weise sind Harlekine und das Fahrende Volk miteinander verbunden. (réf. https://fr.wikipedia.org/wiki/Arlequin).


In allen Quellen des Mittelalters, die man in den Dokumenten der Kirche findet, werden die Fahrenden als Leute beschrieben, die Heilpflanzen kannten und dass sie Menschen durch Spiele und Tänze blendeten. Fahrende waren also Inhaber einer alten Kultur. Obwohl ihre Dienstleistungen geschätzt wurden, wurden sie immer diskriminiert. Dies wird in den Quellen bestätigt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Unehrlicher_Beruf).


Laut Paul Robert Magocsi von der University von Toronto ist die europäische Geschichte übersät mit nomadischen Gruppen, die an den Rand gedrängt wurden durch Gewalt, Armut, Ungleichheiten aus der Vergangenheit und eigene Kulturen und Sprachen durch die Assimilation äußerer Einflüsse und Kulturen (einschließlich der verfolgten anderen Gruppen) entwickelt haben.

Ausser den Jenischen, Sinti und wandernden Juden, zitiert er die französischen Landstreicher, irischen Travellers, slawischen Huzulen, die Klephten und die griechischen Sarakatsanen, die Heiducken des Balkans. Über die Generationen und ihre Routen konnten diese Gruppen die Waisen einsammeln und die Verbannten und Flüchtlinge jeglicher Herkunft integrieren, um neue Einflüsse aufzunehmen. Aber sie konnten auch durch Gewalt oder aufgrund von internen Konflikten aufgeteilt werden.

Fazit von Magocsi: die Jenischen sind, wie andere, aus Mischungen hervorgegangen, aber komplexer und verbreiteter in Zeit und Raum (deutschsprachig) als in der Legende der Deserteure und verarmten Bauern. (https://en.wikipedia.org/wiki/Paul_Robert_Magocsi).